"Es reicht!", rief´s und steuerte Österreich in ein Neuwahlendesaster. Diese Wahl ist nun seit einigen Stunden Geschichte. Ein trauriger Anlass für ein weiteres Posting in eigener Sache...
Ich versuche stets, Politisches in mir und um mich herum zu isolieren, streng zu trennen von Geschäftlichem, Freundschaftlichem oder Sachlichem. Daher soll´s nicht zur Regel werden, an dieser Stelle zu politisieren, wo´s doch an anderer Stelle und von anderen um einiges kompetenter und sachkundiger betrieben wird.
Dennoch komm ich nicht darum herum, die Eindrücke der letzten Stunden Revue passieren zu lassen - im öffentlichen Raum des Web 2.0 (wenigstens darin besteht ein gewisser Themenbezug zum übrigen Inhalt dieses Weblogs).
Martin Hieslmair, begeisterter und begeisternder Fotograf und Hobby-Dokumentar denkwürdiger Ereignisse wie dieses, hat mich dazu "ermutigt", dem Zeitgeschehen mit ihm ein wenig auf die Pelle zu rücken. So verbrachte ich die Momente um die ersten Hochrechnungn der vorläufigen Wahlergebnisse im Regierungsviertel unserer Stadt, insbesondere beim "Wahlgewinner" SPÖ.
Dort war - wie bei solchen Gelegenheiten üblich - die Creme de la Creme der Partei zu sehen, von Karl Blecha und Rudolf Hundstorfer über Josef Cap bis zum ehemals jüngsten Finanzminister der Republik, Hannes Androsch. Und natürlich wurde nach Bekanntwerden des vorläufigen Wahlergebnisses auch der SPÖ-Spitzenkanditat, Werner Faymann, feierlich empfangen.
Eine perfekte Inszenierung - in erster Linie für die Medien. Denn wenn man vor Ort ist, der mediale Rahmen bzw. Ausschnitt fehlt, wirkt alles halb so spektakulär. Und obwohl die SPÖ mit den meisten Stimmen als Sieger aus der Wahl hervor ging und sich auch gerne so feiern ließ, war in den Blicken Anderes zu lesen.
Besorgnis erregend ist das Ergebnis dieser Nationalratswahl allemal. Dabei mache ich mir weniger Sorgen um die österreichischen Sozialdemokraten. Auch ihr ehemals größter politischer Gegner, die ÖVP, entlockt mir kein Mitleid (letztendlich wurde da und dort bei der Inszenierung der Spitzenkandidaten ordentlich gepatzt).
Was wirklich tragisch ist, ist der viel zitierte "Ruck nach rechts". Machen wir uns nichts vor: Das vorliegende Ergebnis dieser Abstimmung über die künftige Zusammensetzung unseres Nationalrates ist nicht das Resultat vernünftigen Abwiegens rationaler Argumente zur Verbesserung der politischen Situation dieses Landes. Es darf bezweifelt werden, dass sich die "bürgerlichen" Rechts-Wähler die Wahlprogramme der FPÖ und des BZÖ gewissenhaft durchgelesen haben. Selbst wenn: Hier wurden ohnehin Ideologien angeboten, die vom wahlkämpfenden Redner möglichst direkt ins Blut der Zielgruppe gehen sollten.
Warum sieht es so aus, als wären im "Bündnis Zukunft Österreich" (BZÖ) bis auf Peter Hojac (der sich lieber den biederen Namen "Westenthaler" gegeben hat) fast ausschließlich Funktionäre und Mitglieder aus Kärnten zu finden? Hier wird Regional-Patriotismus bedient, der gefährliche Tendenzen in die Richtung "wir sind wir, die anderen wollen wir hier nicht" beinhaltet.
Diese Ausgrenzungsmotive treiben viele Wähler auch ins Lager der "Freiheitlichen Partei Österreichs" (FPÖ), deren Gallionsfigur H-C Strache sich in seinen deftigen Reden dieser Empfänglichkeit für einen Rechtspopulismus bedient und fleißig darauf los hetzt. Immer wieder kommt es im Umfeld dieser Partei und ihres Anführers zu Anzeigen nach dem Verbotsgesetz (wie erst kürzlich bei einer Wahlveranstaltung), das er selbst übrigens gerne abschaffen würde.
Die politische Entwicklung, die wir zur Zeit erleben, entbehrt jeder Vernunft, ist unsympathisch und abstoßend und geprägt von ewig gestrigen nationalistischen Ideologien, die in einer sich stetig "globalisierenden" Weltgesellschaft und einem schrumpfenden Europa nur kurzfristig und oberflächlich begründbar sind: mittels Angst-Parolen, Panikmache und Menschenhetze, weil einfache Gemüter nunmal gerne zuerst an sich selbst und ihr unmittelbar begreifbares Umfeld denken, auch wenn sie von all dem Schrecken, der in wütenden Kampfreden bunt an die Wand gemalt wird, nicht im Entferntesten selbst betroffen sind.
Es ist bezeichnend, dass dieses Gedankengut am ehesten jene infiziert, die besonders unreflektiert über Politik, Gesellschaft und ihre eigene Stimmabgabe nachdenken: Nicht ohne grund wurde im Vorfeld darüber spekuliert, dass die Senkung des Wahlalters auf 16 vor allem den "Rechten" zu Gute kommen könnte.
Aber weil die Introspektion - die Selbstbeobachtung - keine sehr zuverlässige Methode ist, um einen Sachverhalt zu beschreiben, sei ein Blick auf jene Stimmen empfohlen, die von außen kommen, von wo aus man uns distanzierter beobachtet:
Unter dem Titel "Rechtsruck" in Österreich fasst ORF.at die Wahlbeobachtung "der Anderen" zusammen: Besorgt kommentiert man in der Welt den (gar nicht so heimlichen) Sieg der Rechten.
Desaster des alten Regimes titelt die "Süddeutsche":
http://www.sueddeutsche.de/,tt6m1/politik/99/312016/text/
Austria braced for right-wing surge heißt´s im "Guardian":
http://www.guardian.co.uk/world/2008/sep/28/austria.elections.strache
Far Right Surges In Austria Vote, Instability Looms prophezeit die "New York Times":
http://www.nytimes.com/reuters/world/international-us-austria-election.html?_r=1
Die Liste der Berichte, die die Besorgnis nach dem Ausgang dieser Wahl wiederspiegeln, ließe sich fortsetzen. Fakt ist: Das vorliegende Ergebnis kann nur als - gelinde gesagt - "Besorgnis errgend" bezeichnet werden. Verniedlichungen der gestärkten Parteien als "bürgerlich" täuschen über das Gefahrenpotenzial hinweg. Und es wird völlig egal gewesen sein, dass so mancher im Frust über die letzte "Große Koalition" seinem Protest fahrlässig durch FPÖ oder BZÖ Ausdruck verleihen wollte. Hätten diese Wähler nur lieber gebloggt...
Montag, 29. September 2008
Denkwürdig, bedenklich: Nationalratswahl 2008
Von Gregor T. um 01:27
1 Kommentar:
Eine sehr objektive Darstellung der
Geschehnissen! Gratuliere!
H:T
Kommentar veröffentlichen