Morgens beim Lesen der Zeitung: Wieder einmal ein Artikel über Apples iPad. Immerhin, noch reagiere ich auf Trends mit Neugier, wenn auch etwas verlangsamt.
Dabei habe ich beim Lesen der Überschrift "Medienrevolution mit Haken" weniger an neue Technologien als an Hintergründiges zu alten Mechanismen gedacht. Ist es schon so weit?
Werde ich langsam alt?
Ich befände mich am Beginn meiner besten Jahre, sagt man (mir hoffentlich nicht bloß zum Trost). Ich wuchs auf mit dem Kinderprogramm auf "Sky Channel" und mit meinem Commodore C64, der mich Beharrlichkeit lehrte. Mächtig stolz war ich auf ein Basic-Programm, so umfangreich, dass der Arbeitsspeicher nicht genügte und Befehle nachgeladen werden mussten.
Das ist nicht so lang her. Auch an jenen Tag im Jahr 1996, als ich verzweifelt versuchte, die Barrieren CompuServes zu überwinden und direkt per Netscape Navigator im World Wide Web zu surfen, kann ich mich erinnern, als hätte ich mich erst vorgestern damit geplagt.
Dann ging alles sehr schnell: Die erste Digi-Cam kam in den Fotografenhaushalt, HTML und Perl auf meine Agenden. Mittlerweile - auf meine alten Tag' - konnte ich mich sogar mit PHP anfreunden - AJAX halte ich als eingefleischter JavaScript-Skeptiker jetzt doch für eine saubere Sache. Wenn das kein Zeichen von Einsicht - und einer Vorwärtsentwicklung - ist!
Ich bin also auf Facebook, XING, YouTube, Flickr, Twitter, MySpace, LinkedIN... doch jegliche Euphorie vefliegt. Langeweile macht sich breit. Wozu das ganze, frag ich mich, und ob ich nun langsam alt werden.
Konstante Veränderung
Mag sein, schließlich ändert sich alles - nicht nur das Angebot an Technologien und Plattformen, sondern auch mein Umgang mit ihnen. Gewöhnungseffekte rauben dem Neuen irgendwann seine Faszination, sodass hinter dem Schleier des Fantastischen unweigerlich graue Realität zum Vorschein kommt. Fahl wirkt manche Sensation, die kurz zuvor noch als revolutionär vermarktet wurde. Manche Angebote scheitern abrupt, andere versinken langsam, wieder andere haben einfach nicht gelernt.
Damit niemand Zeit hat, den bunten Schleier zu lüften, erfindet sich alles permanent neu. Auch eine Art konstanten Wandels. Neue Gadgets, neue Funktionen, alles möglichst "sozial", ganz aufs "Teilen" ausgerichtet. Nicht genug, dass Medienorganisationen immer penetranter um unsere Aufmerksamkeit feilschen, ist nun auch ein Kampf um Anerkennung und Sozialprestige unter den Nutzern selbst entbrannt: "Folgst du mir, so folg' ich dir."
Es sieht so aus, als hätte die Menschheit - hin und her gehetzt zwischen News und Statusreporten - ganz verlernt, die Frage aller Fragen zu stellen:
Wen interessiert's?
Mir ist das alles zu schnell, zu viel, zu gehypt, also schließe ich daraus: Es stimmt. Ich werde wohl alt. Kaum gedacht, streift mein Blick durch die trüben Brillengläser auf Christian Reschs "Spitze Feder" zum Phänomen, Freundschaftsanfragen vom Opa zu bekommen, dort , "wo sich der Enkel bis heute nicht wohlfühlt". Ja, manchmal kommt es mir sogar so vor, als würden die "Alten" durch ihre Präsenz am vermeintlichen Puls der Zeit bloß verkrampft versuchen, jung zu bleiben. Bestätigung braucht der überzeugte Mensch!
Genau darum geht's ja auch bei "social content" (gegen die Verwendung des Pleonasmus "Soziale Medien" wehre ich mich). Aber ich hab' keine Lust mehr, mich bloß mit maßgeschneiderter Werbung unterhalten zu lassen. Ich checke aus.
Viel lieber setz' ich mich abends mal vors Fernsehgerät und lass mich auf fremd-kreierte Handlungsstränge ein, um mich über ein schlechtes Drehbuch oder die geniale Kamera zu amüsieren. Sogar, dass ich statt eines iPads lieber einen eBook-Reader mit e-ink hätte, kommt mir altmodisch vor. Außerdem wäre es höchste Zeit, endlich ein Instrument zu lernen und damit zu beginnen, den Stapel kaum gelesener Bücher nachhaltig zu verwerten. Nicht die Aufenthaltsorte irgendwelcher FourSquare-User, sondern hintergründige Erkenntnisse, die über den Moment ihrer Äußerung hinaus Bestand haben, interessieren - einen offenbar, wenn man langsam alt wird.
Also komm' ich gut und gerne mit meinem steinalten SemiSmartPhone aus, das zwar zu blöd für Apps ist und auf Twitter nicht verlautbart, wenn ich mir bei Spar grad Leichtjoghurt kaufe, dafür Excel "kann". Das ist wichtig - ab einem gewissen Alter. "Links, 135 zu 69, Puls 61", steht in meiner Blutdrucktabelle. Mein Internist wird sich freuen.
Wie alt ich bin? 96, werde ich künftig nur mehr antworten. Das ist das Jahr des vorigen Millenniums, in dem ich zu altern begann.
Freitag, 4. Februar 2011
135 zu 69, Puls 61
Von Gregor T. um 13:37
2 Kommentare:
Keine Sorge, du bist nicht alt - man muss glaub ich einfach selektieren und nicht bei allem mitmachen. Und stell dir vor, niemand von meinen 200 "Freunden" hat gemerkt, dass ich seit mehr als einem Monat nicht mehr ihr Facebook-Freund bin, weil ich da einfach ausgestiegen bin. Schau mal nach, dann weißt du, wer ich bin ;-)
Nicht zu glauben! Nicht mehr auf Facebook? Bin ich einer jener Unaufmerksamen?! Ruhig ist's mir schon vorgekommen "da oben", aber das kann im Nachhinein ja jeder sagen... ;-)
Vielen Dank jedenfalls, Herr H., für die doch sehr aufmunternden Worte.
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