Im Zuge des Weihnachtskonsums durfte ich mich ein wenig mit Nikons Bridgecam Coolpix P6000 beschäftigen: ein gelungenes Gerät mit Pros und Contras.
Eines ist klar: Kompakte Digital-Kameras und so genannte "Bridgecams" (als Bindeglied zwischen Kompaktkamera und digitaler Spiegelreflex) stellen auch für ambitionierte Hobbyfotografen maximal eine Variante als Zweitkamera dar. Weder Objektiv noch Sensor können in dieser Kompaktheit mit "richtigen" DSLRs mithalten. Dafür sind sie ideale alltägliche Begleiter, während man die Spiegelreflexkamera aus unterschiedlichsten Gründen nicht immer dabei hat.
Was gefällt
Die Kamera besticht vor allem durch das hochwertige NIKKOR-Weitwinkelobjektiv mit 4-fach-Zoom (entspricht ca. 28 bis 112 mm), das mit einer Lichtstärke von 1:2,7 bis 1:5,9 mit dem Mittelfeld erschwinglicher Wechselobjektive mithält. Wer´s braucht oder unbedingt will, kann die Brennweite mittels Adapter (für ca. 100 €) um den Faktor 0,76 "erweitern".
Die Kamera-Software bietet zudem etliche Bearbeitungs- und Optimierungsfunktionen (wie Rauschreduktion, Verzeichnungskorrektur, D-Lighting und "Picture Control"). Die Software sorgt unter anderem auch für Intervallaufnahmen, automatische Belichtungsreihen und andere Gags, die man von seiner DSLR kennt. Auch Firmware-Updates von der Nikon-Website funktionieren problemlos (Transfer per SD-Card).
Das integrierte GPS-Modul fürs automatisches Geo-Tagging und der Ethernet-Port zum teilautomatisierten Upload der Fotos auf Nikons Bilderportal "myPictureTown.com" (2 GB sind kostenlos) sind sehr nette, wenn auch eher sekundäre Features. Ausreichend Knöpfchen und Rädchen und eine von Nikon-DSLRs bekannte Menüführung sorgen dafür, dass sämtliche Funktionen relativ leicht zugänglich sind. Eine spezielle Funktionstaste kann individuelle belegt werden, die am häufigsten benötigten Einstellungen lassen sich im Individualmenü sortieren, sodass man tatsächlich auf einen Klick zu den wichtigsten Parametern gelangt, ohne lange Irrwege durch unendliche Menüwindungen.
Was nicht gefällt
Der CCD-Sensor ist mit knapp unter 1/1,7 Zoll zwar vergleichsweise groß für eine Kompakte, der Vorteil geht allerdings in der Masse der 13 Millionen Bildpunkte etwas unter. Die Hälfte hätte genügt - eben für eine Zweitkamera! - und möglicherweise für noch rauschärmere und bessere Bilder gesorgt. Der Megapixelwahn bleibt mir nach wie vor ein Rätsel. Zu viele Pixel versalzen das beste Kamerakonzept.
Nicht ganz glücklich bin ich auch über das sehr eigentümliche RAW-Dateiformat "NRW". Während sich NEF-Dateien (zB. der Nikon D70) in Apples "Preview" bzw. "Vorschau" und in "Adobe Photoshop" problemlos öffnen und bearbeiten lassen, braucht´s für NRW-Dateien 150-Euro-teure Nikon-Software (Nikon Capture NX2). Nutzer von iPhoto 08 oder Aperture 2 können ihren Programmen mit einem UpDate beibringen, unter anderem auch Nikons NRW-Format zu lesen.
Alle anderen müssen sich mit provisorischen Freeware-Lösungen wie zB. Rawker helfen: Dieses Programm bietet allerdings nur dürftige Bearbeitungsmöglichkeiten, beschränkt auf das Wesentlichste. Im Vergleich zur höchsten JPEG-Qualität liefert Rawker bei der Konvertierung von NRW zu TIFF nur unbefriedigende Resultate.
Zudem ist es mir bis jetzt noch nicht gelungen, die Kamera im Mass-Storage-Modus an den Computer anzuschließen, sodass man auf die SD-Card zugreifen könnte. Das USB-Interface dürfte offenbar lediglich für den Anschluss kompatibler Drucker konzipiert sein (via PTP). Ein Manko, wenn man einmal kein SDHC-kompatibles Kartenlesegerät dabei hat - und die Zeit nicht reicht, um die jeweils 20 MB großen RAW-Dateien per Internet von der Kamera zu laden.
Etwas schade ist auch, dass man Videos nur als AVI mit einer Auflösung von 640 x 480 Pixel drehen kann, während Konkurrenzgeräte HD-Material produzieren - zumal der Trend auch online in Richtung High Definition geht.
Mein Fazit
Kompakte Digitalcams, speziell Bridgecams, haben die schwierige Aufgabe, mit einer Vielzahl an Funktionen in jeder (alltäglichen und weniger alltäglichen) Situation eine gute Figur machen zu müssen. Der Kompromiss zwischen Kompaktheit und Leistung macht die perfekte "Digicam" für die Manteltasche zur Utopie.
Dennoch: Die Nikon Coolpix P6000 wartet auf kleinem (nicht kleinstem!) Raum mit jeder Menge professioneller Features auf. Dass es sich mit einem winzigen Rädchen nicht genau so manuell fokussieren lässt wie am Einstellring eines Wechselobjektivs, versteht sich von selbst. Dafür passt der Apparat - ohne optionalen Blitz natürlich - bequem ins Handtäschchen, zur Not auch in die Jackentasche und ist somit ein anhänglicher Begleiter im Alltag.
Das Konzept der P6000 als gute Zweitkamera mit manuellen Einstellmöglichkeiten gefällt mir daher - allerdings nicht uneingeschränkt. Über merkwürdige Dateiformate und den fehlenden Mass-Storage-Modus für den USB-Anschluss am Computer könnte ich locker hinwegsehen. Aber 13 Millionen Bildpunkte auf einem Sensor dieser Größe ist schlichtweg unnötig. Ich würde mir daher genau diese Kamera mit maximal 8 Megapixel wünschen. Dann wäre sie meiner Meinung nach sehr nahe dran an der Utopie einer durch und durch perfekten Kompaktkamera für den täglichen Gebrauch.
Update:
Mittlerweile wird das etwas unpraktische Raw-Format NRW auch ohne Nikon-Software verwertbarer. Neben Rawker gibt es weitere Möglichkeiten der Konvertierung und Bearbeitung, zB. mittels des GIMP-Plugins UFRaw. Möglicherweise ist auch unter den Programmen in dieser Liste der eine oder andere nützliche Raw-Konverter.
Beispielaufnahmen