Quote vor Qualität? Ist qualitativer Printjournalismus am Ende? Gibt die fortschreitende Kommerzialisierung gerade in Krisenzeiten etablierten Qualitätsmedien den Rest?
Diesen und anderen Fragen widmeten sich am Abend des 17. März 2009 fünf Experten der Medien- und Nachrichtenbranche im "Neuen Institutsgebäude" (NIG) der Universität Wien im Rahmen einer Podiumsdiskussion (Moderation: Elisa Vass von Ö1). Bei freiem Eintritt lauschte ein interessiertes Publikum dem Journalist und Autor Nick Davies (Guardian, "Flat Earth News"), Journalist Joachim Riedl (DIE ZEIT), Medienwissenschaftler Fritz Hausjell (Uni Wien) und Nachrichtenmoderator Armin Wolf (ORF) sowie Chefredakteur Atha Athanasiadis (NEWS).
So kurz war eine Stunde noch nie: Die "Keynote" - bzw. das Impulsreferat - von Nick Davies über den Inhalt seines Buches "Flat Earth News" in wunderbarem britischen Englisch erschien keine Sekunde zu lang. Im Gegenteil: Ich denke, der Großteil des Publikums im völlig überfüllten Hörsaal 1 hätte dem extra angereisten Briten bedeutend länger zuhören können, als es der Zeitplan vorsah.
Eine seiner Kernaussagen lautete: Immer weniger Journalisten müssten aufgrund des gestiegenen Gewinndrucks durch neue Verlagseigentümer immer mehr an Inhalt produzieren. Dieser Zeitdruck führe zunehmend dazu, dass die vermeintlichen Fakten ungeprüft von Nachrichten- und PR-Agenturen übernommen würden. Davies illustrierte seine Aussagen mit einigen eindrucksvollen Beispielen aus den USA und Großbritannien.
Die anderen Diskutanten hatten es entsprechend schwer, das Auditorium nach Nick Davies' Eingangsrede auf dem selben Niveau zu unterhalten - geistreich, fachlich und trotzdem zum Schmunzeln oder Lachen. Dennoch wurden die Erwartungen nicht enttäuscht. Nicht zuletzt das aufkeimende "NEWS-Bashing" (Armin Wolf) sorgte für den nötigen Zündstoff, der die Diskussion zeitweise über-belebte.
Was bleibt, sind düstere Prognosen jener, die sich lange genug professionell und wissenschaftlich mit der Materie beschäftigen. Diese bewegen sich zwischen den Polen "teure Eliten-Presse mit Charakter" und "öffentlich-rechtliche Medien für alle". Dabei stehen uns (Medienrezipienten) die schlechten Zeiten noch bevor, wenn traditionelle Geschäftsmodelle etablierter Medien endgültig versagen. Denn einigermaßen Einigkeit herrscht darüber, dass sich mit Nachrichten aus aller Welt in gedruckter Form künftig noch schlechter Geld verdienen lassen wird.
Zum Abschluss des Diskussionsabends kam die eine oder andere Frage aus dem Publikum. Bemerkenswert dabei war eine getwitterte Zwischenfrage, gestellt via "RBrf" von "Matthias_Cremer". Auch Weblogs wurden in einer Randbemerkung erwähnt und in einem Nebensatz erklärt, warum sie dem Qualitätsjournalismus nur bedingt unter die Arme greifen können: Ihnen fehlt schlichtweg die massenmediale Breitenwirksamkeit.
Nachhören /-lesen /-sehen
Sollten sich im Web weitere Aufzeichnungen audiovisueller Art finden, werde ich die Links dazu hier platzieren.
Siehe auch:
Nick Davies: Qualitätsjournalismus bedroht
Nachrichten oder NEWS - Entweder oder?
Journal '09: 18.3.
Ausverkauf der Qualität - Steht journalistischer Anspruch vor dem Ende?
Düstere Aussichten für Qualitätsjournalismus
Zukunft der Qualitätsmedien - Davies: Es geht schlicht um die Wahrheit
"ORF-DialogForum": Kommerz statt Qualität?
Schade
Der ORF als Co-Veranstalter (gemeinsam mit DIE ZEIT und der Universität Wien) sah sich leider noch nicht im Stande, den Abend live im Web zu streamen. Auch die Verfügbarkeit einer Aufzeichnung wurde nicht angekündigt, was aus meiner Sicht die einzige Enttäuschung des Abends darstellt.
Andererseits hätte einer von uns Publikumsgästen die verfügbare Infrastruktur (gratis WLAN für Studierende) dazu nutzen können, die Diskussion zB. über BlogTV in die Wohnzimmer der Daheimgebliebenen zu tragen...
Mittwoch, 18. März 2009
Diskussion: Der Untergang der Qualitätspresse?
Von Gregor T. um 00:35
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