Sonntag, 30. März 2008

Zeit, Zeit, Zeit, Zeit, Zeit!

Es ist leicht zu erklären, warum auch dieser gute Vorsatz gebrochen wurde ("Ich werde mich bemühen, täglich ein paar Zeilen zu hinterlassen"). Für immer mehr - Information, Kommunikation, Aktivitäten - bleibt weiterhin nur die selbe Zeit pro Tag.

Kein Verlust und trotzdem schade: Mittlerweile befülle ich mein bescheidenes Weblog nur mehr monatlich. Zugegeben, es liegt auch daran, dass alles an der Oberfläche des Web 2.0 Erkennbare für mich vorerst wahrgenommen wurde und es für die Erarbeitung und Beschreibung von Tiefgründigerem entsprechendes Hintergrundwissen bedarf. Und das kostet Zeit.

Und davon gibt es definitiv zu wenig, wie neulich eine Bloggerin ganz treffend feststellt: "Allein der Versuch, alles zu wuerdigen, ist zum Scheitern verurteilt" (jekylla.twoday.net). Ich musste erkennen, dass Bloggen enorm zeitaufwendig ist - vor allem dann, wenn man sich selbst zu hohe Ziele steckt und auch dann etwas mitteilen möchte, wenn es nichts Besonderes mitzuteilen gibt. Also schraube ich etwas zurück.

Ich halte das Zeitproblem für unterschätzt. Lebenslange Weiterbildung, Erwerbstätigkeit und nicht zuletzt geradezu ein kollektiver Zwang nach individueller Selbstverwirklichung in Form eines nach besonders hohem Erlebniswert gestalteten Lebens verbrauchen still und heimlich eben dieses.

Erst kürzlich hatte ich die Idee, parallel zu diesem eine Art tägliches Video-Blog zu betreiben. Dank der stetigen Miniaturisierung der Technologie trage ich alles mit mir, was man für kurze Clips aus dem Alltag braucht. Ich stell mir das nett vor: Szenen, die man mittlerweile als typisch für eine Gegend oder eine Zeit hält, einmal festzuhalten, aufzuzeichnen und (auch für sich selbst) zu sammeln um zu sehen, welches Bild am Ende dadurch gezeichnet wird. Aber woher die Zeit dafür nehmen?

Ich bin nicht einmal mehr dazu gekommen, mich genauer in SecondLife umzusehen geschweige denn sein Potenzial (für mich persönlich) auszuloten. Es ist eine neue Art der Media literacy notwendig, um im so enorm dynamischen Web 2.0 tatsächlich nicht nur passiver Konsument zu sein. Oftmals bedeutet dies, neue Kommunikationstechniken zu üben, jede Menge unterschiedlicher Skript-Sprachen zu lernen - und wiederum jede Menge Zeit zu investieren.

Zahlt sich der (Zeit-) Aufwand aus? Sind dies künftige Schlüsselqualifikationen in unserer mediatisierten Gesellschaft? Laufen wir Gefahr einer noch größeren Spezialisierung - weil man als Einzelner eben nicht die Zeit hat, sich sämtliches Wissen anzueignen. Oder ist es umgekehrt ein Kriterium für erfolgreiche Web-2.0-Anwendungen: wenig Einarbeitungszeit zu beanspruchen. Vieles, worüber ich bis jetzt gestolpert bin und das mich anfangs fasziniert hat, habe ich nie wieder probiert, weil für ein "Erfolgserlebnis" spefizische Kenntnisse notwendig sind, die ich mir erst erarbeiten müsste.

Ich hatte bisher nicht einmal die Zeit, um meine MySpace-Seite zu "pimpen". Und mit den Apps und Widgets auf Facebook & Co. fange ich gar nicht erst an. Immerhin möchte man sich ja auch ein wenig Freizeit erhalten...

Montag, 3. März 2008

Just Junk? Was ist "Qualität" im Web 2.0?

Auf der Suche nach "Qualität" gerät man im Web 2.0 schnell in Verzweiflung: Rubbish, Junk, unästhetische Eigenkreationen säumen den steinigen Weg des naiven Wonderers.


Es ist ja nichts Neues: Wer sich einmal in aller Ruhe auf MySpace umgesehen hat, kennt das Phänomen kompletter Reizüberflutung. Wenn zu schlechter Typografie auf unruhigen Seiten auch noch ungefragt Musikgedudl dazu kommt, schaltet man als nicht-geübter User so schnell wie möglich auf konventionellere Kanäle. Und gerade die geübten Web-User müssten es auf Profilseiten von MySpace & Co. besonders schwer haben: uneinheitliche Navigationselemente, die oft nur schwer vom Hintergrund zu unterscheiden sind, unübersichtlich viele "Zusatzfunktionen" (Landkarten, Slideshows und was das Web noch so zu bieten hat) - und das alles von Userprofile zu Userprofil anders kombiniert, gestaltet und angeordnet.

Und trotzdem stehen die Leute darauf: Jedes Monat loggen sich 110 Millionen User auf MySpace ein, um ihre Wahrnehmung auf herausfordernde Weise zu trainieren - und nebenbei ein wenig sozial zu netzwerken.

Ähnlich, wenn auch nicht ganz so unerträglich, geht´s auf Facebook zu. Tausende Apps und Widgets stehen zur Verfügung, um das eigene Profil unübersichtlicher zu gestalten. Und diese Tendenz steigt mit der wachseneden Zahl individualisierbarer Webinhalte.

Qualität lässt sich im Web also schwer anhand üblicher ästhetischer Kriterien messen. Gute Gestaltung oder gute Gestaltbarkeit scheinen keine notwendige Voraussetzung für den Erfolg (oder den vermeintlichen Nutzen) von social services zu sein. Joshua Porter hält den Unterschied fest: "Bad visual design. Good social design", und hat auf seiner Seite damit eine interessante Debatte ausgelöst.

Und Benutzbarkeit? Individualisierte, (von Laien) in einem gewissen Rahmen frei gestaltbare Inhalte können nur schwer allgemein gültigen Usability-Konventionen entsprechen. Dazu müsste die Userschaft aus Gestaltungsprofis bestehen, die obendrein massenmedientypische Motive verfolgen, wie die Reichweite oder Marktanteile zu steigern.

Das "keyfeature" von Social-Networking-Plattformen ist die soziale Komponente, oder: die Anhäufung sozialen Kapitals (wenn auch in erster Linie virtuell). Auch Schulzki-Haddouti identifiziert die Fähigkeit eines Systems, Vernetzung von Nutzern zu erleichtern, als wesentliches Kriterium für soziale Software. Solange dies gewährleistet ist, braucht Qualität im Web 2.0 nicht ästhetischen Ansprüchen zu genügen, sondern lediglich sozialen.

Alles in allem erinnert mich das Phänomen erfolgreicher Anwendungen, die weder auf Benutzbarkeit, noch auf Ästhetik aufgebaut sind, an die massenhafte Verbreitung (und intensive Nutzung) des mobilen Short Message Service SMS (oder siehe bei Wikipedia.org). Ralph Hinderberger und Maria del Carmen Martinez zeichnen in ihrem Artikel seine Erfolgsgeschichte nach und stellen die Frage, wer oder was die breite Akzeptanz von (eigentlich unbenutzbaren) Technologien bestimmt. Und sie verweisen auf das Kriterium des Nutzungskontextes, der viel wesentlicher ist, als eine von außen objektiv betrachtete Funktionalität. Das Fazit der Autoren:

"Der Anwendungskontext von SMS ist ein kosteneffizienter, orts-unabhängiger und zeitoptimierter Austausch von speicherbaren und persönlich relevanten Informationen mit günstigen mobilen Endgeräten unter dem Schutz der Privatsphäre".

Ich denke, in genau diese Richtung könnte sich auch der Nutzungskontext sozialer Plattformen im Web entwickeln. Die Parallelen des Erfolgs derart "unästhetischer" Phänomene wie dem SMS oder dem Web 2.0 sind unübersehbar. In beiden Fällen spielt das menschliche Grundbedürfnis nach Eingebundenheit und Vernetzung eine wesentliche Rolle.

Qualität im sozialen Netz wird also wesentlich geprägt sein von (Kosten-) Effizienz, (Orts-) Unabhängigkeit, (Zeit-) Optimierung, persönlicher Relevanz und dem Schutz der Privatsphäre. Visuelle Features sind (zumindest noch) zweitrangig (abgesehen von Special-Interest-Plattformen wie Flickr). Und ganz abgesehen von zB. journalistischen Ansprüchen. Aber was ist content überhaupt noch wert im Web 2.0...?