Montag, 2. Mai 2011

"Integration"? Bitte nicht!

Jedenfalls nicht in dem Sinn, wie sie seit Kurz/em wieder Thema österreichischer Politikberichterstattung ist: undifferenziert und einseitig.

"Integration läuft über Deutschlernen", wird der neue Staatssekretär im Innenministerium, Sebastian Kurz, zitiert. Gleichzeitig zelebriert man das kollektive Entsetzen über sein jugendliches Alter und die vermeintliche Unerfahrenheit - sowie den unerhörten Formfehler, ohne Krawatte zur Angelobung beim Bundespräsidenten erschienen zu sein.

Es sieht so aus, als herrsche ein gravierendes Missverständnis: Allzu oft wird die geforderte "Integration" mit "Assimilation" verwechselt - oder bewusst gleichgesetzt.

Assimilation ist nicht zu Unrecht tendenziell negativ besetzt, bedeutet es doch die Aufgabe eigener Werte und die möglichst nahtlose Anpassung eigener Verhaltensweisen an die der Anderen. Also bloß nicht aufzufallen.

Eine Medaille, zwei Seiten

Es nervt einen mündigen Medienrezipienten mit dem hoffentlich legitimen Anspruch auf umfassende und objektive Berichterstattung, dass die Diskussion eines der aktuellsten Themen unserer Zeit auf banale Oberflächlichkeiten reduziert wird, die letztendlich nichts zur Sache tun: wie alt oder jung ein de facto einflussarmer Staatssekretär ist, ob er Krawatte trägt oder die in harten Medien-Coachings erworbenen Floskeln beständig wiedergibt, hilft niemandem beim Verständnis absolut grundsätzlicher Voraussetzungen für erfolgreiche Integration, die weit über Sprachkenntnisse hinaus gehen.

Integration - ganz allgemein gesprochen - ist kein einseitiger Prozess. Man integriert (aktiv) Arbeitsweisen, Vertriebsmodelle, Zahlen und so weiter zu einer (neuen) Summe. Ohne mechanistische Gesellschaftsmodelle beschwören zu wollen: Mit Menschen und ihren Arbeits-, Sicht- und Handlungsweisen verhält es sich ähnlich: Integration ist eine Medaille mit zwei Seiten. Nichts und niemand gliedert sich "von alleine" irgendwo ein. Integration ist eine gemeinsame Aufgabe aller Akteure.

Die Forderung von Sprachkenntnissen (noch vor Überschreiten der Grenze) und von stärkerem Integrationswillen der Migranten (und -innen; dass Gendering oftmals ausgerechnet hier ausgespart wird, bietet genügend Gedankenmaterial) sind einseitige Pflichteinforderungen, die wirkungslos bleiben, wenn das Umfeld desintegrativ eingestellt ist und auch so agiert.

Wird also die Bereitschaft zur Integration eingefordert, sollten konsequenter- und korrekterweise alle Beteiligten adressiert werden. Und genau dieser Aspekt müsste in der allgemeinen und politischen Diskussion viel stärker als bisher thematisiert werden.

Permanenter Wandel ist die einzige Konstante in unserem Leben: Wirtschaft, Technologie, Gesellschaft, Privatleben, nichts entkommt Veränderungen. Wir können uns davor fürchten und vergebens versuchen, den Wandel zu bremsen. Oder wir nützen seine positiven Aspekte (so wie jeder Einzelne dank globalisierter Märkte geilem Geiz frönen kann).

Man darf sich also ruhig wünschen, dass künftig "mehr Migranten stolz sind auf Österreich". Doch wie stolz ist Österreich auf seine kulturelle Vielfalt und den gesellschaftlichen Reichtum?

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