Donnerstag, 7. Februar 2008

Eins, zwei oder drei?

Wenn die Selbstdarstellung im Netz nicht immer nur saubere Spuren hinterlässt, ist es vielleicht schon zu spät, um sich über das eigene Identitätsmanagement Gedanken zu machen.

Gemäß der menschlichen Natur, versucht der moderne - vernetzte - Mensch, sein soziales Netzwerk auszuweiten. Dank sozialem Web 2.0 und einer Vielzahl von social networking sites ist es heute ein Leichtes, mit alten Bekannten sowie bisher noch nicht bekannten Fremden in Verbindung zu treten.

Um allerdings gefunden zu werden, bedarf es einiger authentischer Angaben zur eigenen Person: Zumindest der Name muss im Profil enthalten sein, bei zu erwartender Namensgleichheit mit Anderen eventuell noch der Wohnort. Und weil man schon dabei ist, das Profil-Formular zu vervollständigen, gibt man auch noch die besuchten Schulen, Universitäten und - sicher ist sicher - seinen Arbeitgeber an. Das müsste reichen, um auch von der allerflüchtigsten der je gemachten Bekanntschaften bei Bedarf wiederentdeckt zu werden.

Zweierlei bleibt weitestgehend unbedacht: Was einmal ins Netz gestellt ist, bleibt möglicherweise "für immer" dort - auch noch lange nachdem ein Profil gelöscht wurde. Denn ganz abgesehen von den Interessen der Site-Betreiber, die möglichst viele Informationen kommerziell nutzen möchten, bleibt so manches in der Datenbank und im Cache diverser Suchmaschinen. So kann das im jugendlichen Leichtsinn getätigte Bekenntnis zu übermßigem Alkoholkonsum noch Jahre später auf einen zurückfallen, wenn der künftige Arbeitgeber einfache Recherchemöglichkeiten nutzt. Aber auch andere vermeintlich harmlose Äußerungen könnten dafür sorgen, irgendwann einmal von der eigenen Vergangenheit eingeholt zu werden.

Zweitens haben wir es in der kurzen Zeit einer massenmedialen Individualität vielleicht einfach noch nicht richtig gelernt, mit einem dispersen, uns zu allererst einmal unbekannten Publikum umzugehen. Medienprofis (wie zB. Johnny Depp, über den man auffallend selten in Klatschspalten liest) wissen längst, was es heißt, die Kontrolle über Teile der eigenen Identität zu verlieren. Aber wir?

Wir alle spielen Theater und haben zwar gelernt, in verschiedenen Situationen
(auf der "Hinterbühne") in die entsprechenden Rollen zu schlüpfen. Denn:

"Es gibt Dinge, die den Eindruck, den eine Darstellung erweckt, diskreditieren, zerstören oder vereiteln würden, wenn die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt würde. Sie liefern 'destruktive Information'. Ein Grundproblem [...] ist infolgedessen die Informationskontrolle; das Publikum darf keine destruktiven Informationen über dargstellte Situationen erhalten." (Goffman, S. 129)

Aber im scheinbar privaten Cyberspace werden wir dazu angehalten, Authentizität und Persönlichkeit zu vermitteln - wir selbst zu sein. Fast ist man geneigt zu glauben, dieses "Erfolgsgeheimnis" der eigenen Selbstdarstellung käme direkt aus Googles Marketingabteilung.

Auch einer systemtheoretischen Ansicht nach sind Menschen Mitglieder unterschiedlicher sozialer Systeme (die man nur sehr schwer mit virtuellen Foren oder Gruppen Gleichgesinnter vergleichen könnte, denke ich). Selektive, anschlussfähige Kommunikation mit einem virtuellen - unbekannten - "Gegenüber", das sich gerade ohne mein Wissen an den Details meines Lebens delektiert, ist in dieser Situation nicht möglich, doppelte Kontingenz bleibt unaufgelöst, Komplexität wird bestenfalls einseitig reduziert. Wie kann man unter diesen widrigen Bedingungen von einem sozialen System sprechen, das mehr massenmediale Züge trägt als jene der vielgepriesenen Interaktivität?

Das Koordinieren der eigenen Rolle(n) im Web 2.0 erfordert vor allem ein Bewusstsein für seine Notwendigkeit und für die Gefahren, die entstehen können, wenn Privates mit Öffentlichem gemixt wird zu einem bitteren Cocktail "destruktiver Information". Wir müssen uns wahrscheinlich erst dazu überwinden, soziale Praktiken des Miteinander auf unsere virtuelle Identität anzuwenden und bewusst in weitere Rollen zu schlüpfen - entsprechend der zu erwartenden oder erwünschten Leser unserer Informationen. So wie wir am Arbeitsplatz, zu Hause, in einer belebten Einkaufsstraße oder beim Candle-Light-Dinner nicht weniger authentisch sind, nur weil wir unsere Rollen spielen, so muss eine eigene MySpace-Rolle nicht weniger interessant sein als ihr Pendant auf Xing.

Denn mit dem richtigen Identitäts- bzw. Rollenmanagement kann die unvermeidbare Datenspur im Netz auch ihr Gutes haben - wenn die richtigen Leute von den richtigen Facetten einer Persönlichkeit erfahren. Das schließt nicht aus, sich innerhalb der Peer Group durch Trinkfestigkeit zu profilieren - wenn man neue soziale "Tricks" dazu entwickelt hat.

Keine Kommentare: