Dienstag, 16. Dezember 2008

Gesundheits-Web für "Geizhälse"?

Das Ziel beim Shoppen im Web: Der beste Preis beim besten Händler. Und wenn´s um die Gesundheit geht?

Das Gesundheitssystem (in Österreich) steckt in einem Dilemma: Einerseits schmückt sich der (Sozial-) Staat gerne mit der Gewährleistung einer gesundheitlichen Grundversorgung für alle, und die Ärzte selbst fordern (wie einst in einer groß angelegten Plakatkampgne gegen mehr Qualitätskontrolle) "die beste Medizin" für ihre Patienten, "nicht die billigste" (aerztekammer.at).

Auf der anderen Seite kämpfen Ärzte um Ihre Kassen-Bezüge, die Krankenkassen ums blanke finanzielle Überleben - und die Pharmaindustrie um höchst lukrative Anteile auf hochsensiblen, boomenden Massenmärkten.

Zwischen finanziellen Interessen und sozialestaatlichen Pflichten steht "der Patient", angesichts eines durch und durch kommerzialisierten Umfeldes wäre allerdings die marktübliche Bezeichung "Kunde" oder "Klient" treffender. Dies würde möglicherweise auch das Bewusstsein für einen mündigen Umgang mit der eigenen Gesundheit - und Zeit - stärken und an das Recht der freien Wahl auch von Gesundheitsdienstleistern erinnern.

Denn abseits von Vertragsverhandlungen und politischen Diskussionen um ein für alle gleichermaßen funktionierendes Gesundheitssystem sieht der Alltag eines Kunden am Gesundheitsmarkt eher trist aus: stundenlanges Warten trotz Terminvereinbarung, die Konfrontation mit unsensiblen Kommentaren empathieloser "Gesundheitsingenieure" oder gar totgeschwiegene Fehlleistungen mit fatalen Folgen.

Welchem Arzt / welcher Ärztin vertrauen Sie?

Nicht zuletzt wegen restriktiver Werbeverbote (in Deutschland wie in Österreich) fällt die Entscheidung für oder gegen einen Arzt oftmals aufgrund persönlicher Weiterempfehlungen durch Bekannte oder Verwandte. Dabei gilt Mundpropaganda (oder: Word-of-Mouth-Marketing) ohnehin als eine höchst effektive und kostensparende Werbeform (ein eigenes für Zahnärzte aufgelegter Ratgeber etwa bietet Tipps und Tricks zur Effizienzsteigerung der Empfehlungswerbung: books.google.com). In den USA ist die persönliche Weiterempfehlung erwiesenermaßen die Hauptwerbeform im Gesundheitswesen (hschange.org).

Was läge also näher, als sich auch im Web 2.0 über die Leistungen seiner Ärzte auszutauschen? Dabei beschränken sich die Erfahrungsberichte nicht auf den kleinen Kreis unmittelbarer Kontakte, sondern theoretisch auf sämtliche Kunden eines Mediziners mit Zugang zum Netz und ein wenig entsprechender Medienkompetenz.

Und genau in diese Kerbe - oder: Marktlücke - schlagen einige neuere Gesundheitsportale, auf denen nicht nur nach Ärzten bestimmter Fachgebiete gesucht werden kann, sondern zusätzlich Bewertungen und Erfahrungsberichte abgegeben werden können. Das System funktioniert zumindest am "Front-End", für den kundigen Webuser und versierten Online-Shopper also, auf gewohnte "Geizhals"-Manier: Für bestimmte Kriterien wird eine der Leistung entsprechende Anzahl an Sternchen vergeben - unter anderem auch für das "Einfühlungsvermögen", für Pünktlichkeit oder den Beratungsumfang, wie zB. auf www.meineaerzte.at oder www.patienten-empfehlen-aerzte.de.


So sinnvoll ein Erfahrungsaustausch in Gesundheitsfragen auch ist: Das System der Arzt-Bewertungen im Web 2.0 bleibt nicht unkritisiert (welt.de). Schließlich birgt die anonyme Meiungsäußerung über Dienstleistungen auch Gefahren - wie die der gezielten Denuntiation (von zu Unrecht enttäuschten Klienten oder gar konkurrierernden Kollegen). Ein Problem allerdings, mit dem sämtliche Shopping- und Preisvergleichsportale im Web zu kämpfen haben - und es einigermaßen in den Griff zu bekommen scheinen.

Vielleicht liegt der Schlüssel zum Erfolg brauchbarer - also objektiver - Bewertungen, egal ob es sich um Ärzte, Elektrohändler oder Touristikbetriebe handelt - in einer möglichst großen Beteiligung aller Konsumenten, damit vereinzelte "Bewertungsattacken" in der Masse glaubwürdiger Urteile verschwinden.

Auf jeden Fall aber sind die Zeiten vorbei, in denen man als "Patient" dem Arzt seiner Tradition über Jahrzehnte blindes Vertrauen entgegen bringt und sich beständig über Wartezeiten, unbefriedigende Beratungen oder zu flüchtige Untersuchungen wundert.

Info & URLs

  • Arztbewertung per Internet (Futurezone.at)
  • meineaerzte.at
  • arztbewertung.net
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