Donnerstag, 25. Dezember 2008

Ausprobiert: Nikon Coolpix P6000

Im Zuge des Weihnachtskonsums durfte ich mich ein wenig mit Nikons Bridgecam Coolpix P6000 beschäftigen: ein gelungenes Gerät mit Pros und Contras.

Eines ist klar: Kompakte Digital-Kameras und so genannte "Bridgecams" (als Bindeglied zwischen Kompaktkamera und digitaler Spiegelreflex) stellen auch für ambitionierte Hobbyfotografen maximal eine Variante als Zweitkamera dar. Weder Objektiv noch Sensor können in dieser Kompaktheit mit "richtigen" DSLRs mithalten. Dafür sind sie ideale alltägliche Begleiter, während man die Spiegelreflexkamera aus unterschiedlichsten Gründen nicht immer dabei hat.

Nach einigem Hin und Her, orientiert an verschieden gewichteten Kriterien, fiel meine Kaufentscheidung auf die Nikon Coolpix P6000 (Markteinführung im September 2008).

Wichigste Auswahlkriterien waren ein möglichst großer Sensor (1/1,72") sowie ein optischer Sucher für ungünstige Lichtverhältnisse wie direkte Sonneneinstrahlung auf das Display. Daneben besteht - zugegeben - nach jahrelanger Zufriedenheit eine gewisse Sympathie für Nikon-Geräte. Weil man Fotoapparate aber nicht nach Sympathie kauft, war meine Wahl einer Alltags-Digicam vor ein paar Jahren auf Sonys Cybershot gefallen [dies nur am Rande bemerkt].


Was gefällt

  • Objektiv mit Bildstabilisator und 4-fach-Zoom
  • Manuelle Einstellmöglichkeiten
  • ISO 2.000 / 6.400
  • Blitzschuh, guter interner Blitz
  • Intervallaufnahmen

  • Die Kamera besticht vor allem durch das hochwertige NIKKOR-Weitwinkelobjektiv mit 4-fach-Zoom (entspricht ca. 28 bis 112 mm), das mit einer Lichtstärke von 1:2,7 bis 1:5,9 mit dem Mittelfeld erschwinglicher Wechselobjektive mithält. Wer´s braucht oder unbedingt will, kann die Brennweite mittels Adapter (für ca. 100 €) um den Faktor 0,76 "erweitern".

    Ein absolutes Kaufargument war für mich aber die Möglichkeit, sowohl Blende als auch Belichtungszeit - und sogar den Fokus - bei Bedarf über ein kleines Rädchen manuell einstellen zu können. Die gewählten Einstellungen lassen sich an zwei Speicherplätzen ablegen und später über das Rädchen zur Programmwahl blitzschnell aktivieren. Eine wirklich gute Idee.

    Die Sensor-Empfindlichkeit reicht bis maximal ISO 2.000 (bzw. ISO 6.400 in kleineren Bildgrößen) und kann manuell begrenzt werden (zB. auf ISO 400, um Rauschen zu unterdrücken). Der optische Bildstabilisator sollte unruhige Händchen bis zu einem gewissen Grad kompensieren.

    Diese Aspekte alleine separieren die P6000 schon von anderen Modellen im schmalen Sektor der "Brückenkameras". Zusätzlich sorgt - wenn man mag oder bereits hat - ein externer Profiblitz für eine Veredelung dieser Kompakten (die P6000 verfügt über einen Blitzschuh). Ein solcher wird nur selten notwendig sein, denn der ausklappbare interne Blitz erhellt die dunkelsten Ecken in bis zu 8 m Entfernung.

    Die Kamera-Software bietet zudem etliche Bearbeitungs- und Optimierungsfunktionen (wie Rauschreduktion, Verzeichnungskorrektur, D-Lighting und "Picture Control"). Die Software sorgt unter anderem auch für Intervallaufnahmen, automatische Belichtungsreihen und andere Gags, die man von seiner DSLR kennt. Auch Firmware-Updates von der Nikon-Website funktionieren problemlos (Transfer per SD-Card).

    Das integrierte GPS-Modul fürs automatisches Geo-Tagging und der Ethernet-Port zum teilautomatisierten Upload der Fotos auf Nikons Bilderportal "myPictureTown.com" (2 GB sind kostenlos) sind sehr nette, wenn auch eher sekundäre Features. Ausreichend Knöpfchen und Rädchen und eine von Nikon-DSLRs bekannte Menüführung sorgen dafür, dass sämtliche Funktionen relativ leicht zugänglich sind. Eine spezielle Funktionstaste kann individuelle belegt werden, die am häufigsten benötigten Einstellungen lassen sich im Individualmenü sortieren, sodass man tatsächlich auf einen Klick zu den wichtigsten Parametern gelangt, ohne lange Irrwege durch unendliche Menüwindungen.

    Beim Kauf ist der P6000 neben einem Daten-Kabel, Ladegerät, Handbuch- und Software-CDs auch eine Halte- und Umhängschlaufe beigelegt, damit das gute Stück nicht aus Unachtsamkeit stürzt.


    Was nicht gefällt

  • Pixelwahn
  • RAW-Dateiformat "NRW"
  • USB-Modus beschränkt auf PTP
  • keine HD-Videos

  • Der CCD-Sensor ist mit knapp unter 1/1,7 Zoll zwar vergleichsweise groß für eine Kompakte, der Vorteil geht allerdings in der Masse der 13 Millionen Bildpunkte etwas unter. Die Hälfte hätte genügt - eben für eine Zweitkamera! - und möglicherweise für noch rauschärmere und bessere Bilder gesorgt. Der Megapixelwahn bleibt mir nach wie vor ein Rätsel. Zu viele Pixel versalzen das beste Kamerakonzept.

    Nicht ganz glücklich bin ich auch über das sehr eigentümliche RAW-Dateiformat "NRW". Während sich NEF-Dateien (zB. der Nikon D70) in Apples "Preview" bzw. "Vorschau" und in "Adobe Photoshop" problemlos öffnen und bearbeiten lassen, braucht´s für NRW-Dateien 150-Euro-teure Nikon-Software (Nikon Capture NX2). Nutzer von iPhoto 08 oder Aperture 2 können ihren Programmen mit einem UpDate beibringen, unter anderem auch Nikons NRW-Format zu lesen.

    Alle anderen müssen sich mit provisorischen Freeware-Lösungen wie zB. Rawker helfen: Dieses Programm bietet allerdings nur dürftige Bearbeitungsmöglichkeiten, beschränkt auf das Wesentlichste. Im Vergleich zur höchsten JPEG-Qualität liefert Rawker bei der Konvertierung von NRW zu TIFF nur unbefriedigende Resultate.

    Zudem ist es mir bis jetzt noch nicht gelungen, die Kamera im Mass-Storage-Modus an den Computer anzuschließen, sodass man auf die SD-Card zugreifen könnte. Das USB-Interface dürfte offenbar lediglich für den Anschluss kompatibler Drucker konzipiert sein (via PTP). Ein Manko, wenn man einmal kein SDHC-kompatibles Kartenlesegerät dabei hat - und die Zeit nicht reicht, um die jeweils 20 MB großen RAW-Dateien per Internet von der Kamera zu laden.

    Etwas schade ist auch, dass man Videos nur als AVI mit einer Auflösung von 640 x 480 Pixel drehen kann, während Konkurrenzgeräte HD-Material produzieren - zumal der Trend auch online in Richtung High Definition geht.


    Mein Fazit

    Kompakte Digitalcams, speziell Bridgecams, haben die schwierige Aufgabe, mit einer Vielzahl an Funktionen in jeder (alltäglichen und weniger alltäglichen) Situation eine gute Figur machen zu müssen. Der Kompromiss zwischen Kompaktheit und Leistung macht die perfekte "Digicam" für die Manteltasche zur Utopie.

    Dennoch: Die Nikon Coolpix P6000 wartet auf kleinem (nicht kleinstem!) Raum mit jeder Menge professioneller Features auf. Dass es sich mit einem winzigen Rädchen nicht genau so manuell fokussieren lässt wie am Einstellring eines Wechselobjektivs, versteht sich von selbst. Dafür passt der Apparat - ohne optionalen Blitz natürlich - bequem ins Handtäschchen, zur Not auch in die Jackentasche und ist somit ein anhänglicher Begleiter im Alltag.

    Makroaufnahmen gelingen schnell und einfach, und obwohl das rückseitige Display nicht neigbar ist, reicht der Blickwinkel für kontrollierte Überkopfaufnahmen ohne weiteres. Die 15 Knöpfchen, zwei Rädchen und der Zoom-Kippschalter überladen die Kamera nicht im geringsten, erleichtern dafür die intuitive Bedienung (und das gefällt mir deutlich besser als zwei verlorene Tasten mit jeweils 100 Funktionen, wie man es auf anderen Kompakten oftmals findet).

    Das Konzept der P6000 als gute Zweitkamera mit manuellen Einstellmöglichkeiten gefällt mir daher - allerdings nicht uneingeschränkt. Über merkwürdige Dateiformate und den fehlenden Mass-Storage-Modus für den USB-Anschluss am Computer könnte ich locker hinwegsehen. Aber 13 Millionen Bildpunkte auf einem Sensor dieser Größe ist schlichtweg unnötig. Ich würde mir daher genau diese Kamera mit maximal 8 Megapixel wünschen. Dann wäre sie meiner Meinung nach sehr nahe dran an der Utopie einer durch und durch perfekten Kompaktkamera für den täglichen Gebrauch.

    Update:

    Mittlerweile wird das etwas unpraktische Raw-Format NRW auch ohne Nikon-Software verwertbarer. Neben Rawker gibt es weitere Möglichkeiten der Konvertierung und Bearbeitung, zB. mittels des GIMP-Plugins UFRaw. Möglicherweise ist auch unter den Programmen in dieser Liste der eine oder andere nützliche Raw-Konverter.


    Beispielaufnahmen

    6 Kommentare:

    Anonym hat gesagt…

    Sehr interessant und ausführlich. Danke für den Test!

    Anonym hat gesagt…

    Der Test könnte in einer Fachzeitschrift nicht besser sein.
    Sehr objektiv und informell!!!!
    See3.at

    Anonym hat gesagt…

    Habe selten so einen fachlichen und für Normalverbraucher,
    verständlichen Testbericht,gelesen!!!

    Anonym hat gesagt…

    noch eine Frage: Aus dem Handbuch geht nicht hervor, ob wenigstens der Bildertransfer (JPG) von der SD-Card mit einem Kartenleser ohne die nervige und überflüssige Nikon-Transfer-Applikation funktioniert. Das Nikon den Ethernetport auf deren Webservice verdongelt ist schon wahnwitzig genu - liegt aber leider im Trend. Wenn nichtmal der USB-Anschluss als Laufwerk im Rechner erscheint bliebe nur noch die SD-Karte um Bilder vom Gerät im Urlaub runter zu bekommen. Die Kamera würde mich echt interessieren. Eigentlich ein schönes Stück. Das man mal wieder nicht über USB laden kann ist man von solchen Herstellern ja leider gewöhnt. Aber wenn man seine Bilder nicht mal offline ohne Zwangssoftware sichern kann ist das eigentlich ein ausschlußkriterium - Sorry. Trotzdem danke für den Test - super gemacht! Nochmal die Frage: kann man normale JPGs (mit Geo-Infos) von der SD-Card auf den Rechner ziehen (XP, Vista...) ohne extra Software?
    Danke & Grüße, Martin

    Gregor T. hat gesagt…

    Zu Martins Frage (hoffentlich liest er's ;-) ):

    Nachdem ich die Kamera jetzt schon länger nicht mehr bei mir habe, kann ich gerade nicht persönlich nachschauen und testen. Die Bilder (JPEG) konnte ich allerdings problemlos per Speicherkarte und -lesegerät von der Kamera laden, ohne Zusatzsoftware. Nur für die Roh-Bilder braucht man Nikons Software, weil insbesondere OpenSource-Alternativen keine befriedigenden Ergebnisse liefern. Auch die GEO-Infos (GPS-Daten) sollten erhalten bleiben. Die per Lesegerät geladenen Bilder wurden nach einem Upload auf Flickr an einigermaßen korrekter Position gezeigt (wenn ich mich jetzt nicht irre).

    Laut Hersteller-Site müsste man die Kamera auch direkt per USB anschließen können (dort ist die Schnittstelle angeführt). Ob das der Realität entspricht, vielleicht eine Erweiterung neuerer Varianten der P6000 darstellt oder auch schon bei der "alten", von mir getesteten der Fall war, kann ich jetzt mangels Gerät nicht sagen.

    Ich finde es allerdings auch schade, dass der Ethernet-Anschluss nur für Nikons Web-Plattform genutzt werden kann. Das ist in Anbetracht der theoretischen Möglichkeiten sehr ärgerlich.

    Bis auf die im Test erwähnten Mängel finde ich die Kamera nach wie vor gut und interessant (auch die Intervall-Aufnahmen). Es kommt halt immer sehr stark darauf an, WOFÜR man die Kamera verwenden möchte, welche Prioritäten man setzt.

    Anonym hat gesagt…

    Hallo Gregor,
    vielen Dank für die schnelle Antwort. Vom Formfaktor gefällt mir die Kamera halt sehr gut. Mir ist die GPS-Funktion am wichtigsten, die allerdings hier leider besonders gut weckgekommen ist: http://www.digitalkamera.de/DruckansichtMeldung/Nikon_Coolpix_P6000/5450.aspx
    Leider haben bisher wenige Hersteller gebrauch von den Geotate-Lösungen gemacht:
    http://www.u-blox.com/en/gps-solutions.html
    Dabei ist zwar auch zwingend ein Austausch des GPS-Snapshot auf deren Portal zur Vertaggung nötig, damit kann ich aber leben, da ich ja einen mehrnutzen habe, weil ich nicht immer einen GPS-Fix haben muss bevor ich ein Foto schiessen kann...Was den Ethernetport angeht würde Nikon eine DLNA oder zumindest UPnP-Unterstützung gut anstehn, wie sie z.B. inder Sony DSC-G1 integriert ist. Darüber könnte man die Fotos nicht nur auf den PC runterladen sondern sogar diese ohne PC auf einem UPnP-Fähigen HDTV anschaun. Aber soviel kann man wohl noch nicht verlangen. Die Zwangsverbundelung mit Online-Diensten geht mir echt tierisch auf die Nerven, sorry. Hoffentlich lernen die Hersteller, dass kein Mensch sich bei 100 Portalen anmelden will, blos um irgendeine Zusatzfunktion zu nutzen.
    Dass der Akku im Gerät geladen wird sehe ich ganz klar als Vorteil, weil ich dann kein extra Ladegerät mit mir rumschleppen muss, vorausgesetzt ich kann mein USB-Netzteil an die im Manual angegebenen 4,8V Versorgungsspannug anschließen (mal wieder Lötarbeit angesagt). Das ist auch eine Unart der Kamerahersteller, dass die immer noch nicht gelernt, dass man Geräte die eh schon einen Mini-USB Stcker haben, auch gerne darüber Laden möchte - bei den Handys gehts schließlich auch. Ich hab selber ein USB-LiIon Ladegerät gebaut, das geht wunderbar. Dauert halt ein bisserl länger, wenn man nur nen 100mA USB-Port anstatt nem HUB-Netzteil anschließt aber was solls. Geht wunderbar...
    Naja, Baustellen über Baustellen...
    Danke nochmal und Viele Grüße aus München,
    Martin.