Mittwoch, 28. April 2010

"Macht uns das Internet dumm?"

Diese Frage erinnert an das Verblödungspotenzial, das einst auch dem Fernsehen zugeschrieben wurde, dem Personal Computer im Allgemeinen, oder Videospielen.

Corinna Milborn frägt im nächsten "Club 2" des ORF danach, was Menschen dazu bringt, im Web intime Details aus ihrem Leben zu veröffentlichen, wie wichtig es als Kommunikationsmittel ist - und warum einige sogar von der "Verdummung" durch das Internet sprechen.

Diese plakative Fragestellung verkürzt die Problematik freilich auf ein Maß, das ihrer Tragweite kaum gerecht wird. Schon vor Jahrzehnten hat man sich von derart eindimensionalen und unidirektionalen Sichtweisen in der Kommunikationswissenschaft verabschiedet (Stichwort: Uses and Gratification). Stattdessen ist es aus moderner Sicht viel naheliegender zu fragen: "Was machen wir Dummes mit dem Internet?"

Wir füttern das Web mit subjektiven Eindrücken und unüberprüften Erkenntnissen und berufen uns zunehmend auf dieselben. Wir sprechen von "sozialen Netzen", wenn sich auf Web-Plattformen einzelne Nutzer bloß per Vermerk und Link als "Freunde" aufeinander beziehen: soziales Handeln wird auf einen Mausklick reduziert. Einzelne Meinungen und pseudosoziale Relationen erhalten einen höheren Stellenwert als die Bewertung von Informationen und Sachverhalten nach anerkannten und etablierten Kriterien (wie sie von klassischen Medien angewandt werden). Und am Ende des Tages fragen wir danach, wie böse und unmoralisch, suchterregend und verdummend das "Internet" auf uns einwirkt...

Das Internet (also im Wesentlichen Web, eMail und Instant Messaging) ist einfach da - und es ist Teil unseres medialen Alltags. Es ist genauso sehr oder wenig verdummend wie eine Tageszeitung mit ihren ausgewählten Nachrichten und Meinungen, wie das Fernsehen mit all seinen Soaps, wie ein Comic-Heft mit bunten Bildchen, ein Ego-Shooter oder das Lesen auf Hörsaal-Bänken
eingeritzter Botschaften. Es kommt einzig auf die individuelle Nutzung der jeweiligen Medien an und darauf, wie man darin liest, was man heraus liest - und schließlich darauf, dass man das Rezipierte einer reflektierten Bewertung zuführt.

Dazu braucht es entsprechende Medienkompetenzen. Nur, wenn man ein Bewusstsein für Funktionsweisen und Mechanismen hinter dem Offensichtlichen entwickelt, kann man vermeiden, zu viel Dummes mit einem Medium anzustellen. Die fehlende Kompetenzvermittlung ist das zu diskutierende Problem, und das mangelhafte Bewusstsein für die Wichtigkeit, wahr und falsch, Gerücht und Faktum zu unterscheiden - oder diese Bewertung eben an jene zu delegieren, die den professionellen Umgang mit Bewertungen gelernt haben und ihre Tage damit verbringen.

Man darf also gespannt sein, wie drei Journalisten, eine Datenschützerin, ein Psychiater und ein Blogger das komplexe Thema innerhalb nur einer Stunde aufarbeiten werden, ohne bloß die eigenen Tätigkeiten argumentativ zu legitimieren. Und ob Medienpsychologen, Mediensoziologen, Kommunikationswissenschaftler und "normale" Mediennutzer in der Diskussion so schmerzhaft fehlen werden, wie ich es befürchte.

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