Mittwoch, 26. Dezember 2007

Web 2.1

Was kommt nach dem Hype um das Web 2.0, Mitmachweb, Zweiwegeweb? Der herannahende Jahreswechsel sorgt allerorts für Rückblicke und Prognosen. Es ist zum Trend geworden, über künftige Trends im Web zu spekulieren.

Man sagt, es sei ein wesentliches Charakteristikum des "Web 2.0", dass es zu einem beachtlichen - wachsenden - Teil aus User-generierten Inhalten und Communities bestünde. Was wäre daher naheliegender, wenn man sich Gedanken über die Zukunft "unseres" Webs macht, als einen Blick auf die Einschätzungen der User selbst zu werfen?

Die Blogs und Kommentar-Seiten sind voll mit mehr oder weniger ausgereiften Prognosen zu dem, was wohl danach kommen mag oder könnte. Die einen sprechen davon, dass sich persönliche Information (oder gar ein Teil der Persönlichkeit?) ins dezentrale Internet verlagern könnte, dass man einen Teil seines sozialen Hintergrunds im Web verstärkt wieder findet. Wer´s nicht erwarten kann, sich möglichst lückenlos im Netz wiederzufinden, der kann jetzt gleich seine DNA an beinspace senden.

Andere betrachten die aktuelle und vor allem künftige Entwicklung aus einer eher technischen Perspektive (die sich - wie üblich - an momentanen technischen Gegebenheiten orientiert): Semantisches Web, Webservice statt -site, mobile Anwendungen und virtuelle Welten. Doch Schlagworte wie "Personalisierung" und "Internationalisierung" klingen viel mehr nach einer Zusammenfassung der letzten 10 Jahre als ein Ausblick auf die kommende Dekade.

Mark Hopkins prophezeit vor allem ein knappes Rennen der global players Facebook und Google um die gelungenste Kombination produktivitätsfördernder Onlinetools mit sozialen und kollaborativen Komponenten. Skepsis hinsichtlich eines Mangels an Innovationen und der schlechten Aussichten auf das große Geld mit unkreativen "copycat services" wird durch die Aussicht auf unbeirrbare, tapfere Investoren und abenteuerlustige Unternehmer gelindert.

Und als ich dann plötzlich über Begriffe wie "cloudware" stolpere, ist die mögliche Zukunft des "Web 2.0" für mich vollends ungewiss: Die Verlagerung lokal (am eigenen PC) ausgeführter Anwendungen ins Netz; oder mit der Sprache des Web: Service statt Software.

Wie könnte nun ein "Evolution" zum Web 2.1 aussehen? Um Entwicklungen in irgendeiner Form einschätzen (geschweige denn vorhersagen) zu können, müsste der Beobachtungsgegenstand zu allererst konkret definiert und seine Kriterien und Erscheinungsformen systematisiert werden. Aus Mangel einer konkreten Definition fällt es meiner Meinung nach schwer, ernsthaft darüber zu spekulieren, wie das Web Ende kommenden Jahres aussehen könnte. Und wenn man sich die Veränderungen der letzten zehn Jahre vergegenwärtigt, ist es schlichtweg lächerlich zu glauben, man könnte die Potenziale der Entwickler und User und unvorhersehbarer Trends verlässlich einschätzen.

Dennoch fällt mir auf: Innovative Webservices und Plattformen wie Twitter und MySay und die Bereitstellung von so genannten APIs von vielen Betreibern deuten meiner Meinung nach darauf hin, dass es im Web zwei Konstante gibt. Nämlich: Menschen als soziale Wesen haben das unstillbare Bedürfnis, sich zu vernetzen, in der (virtuellen) Welt ihre Spuren zu hinterlassen und zu kommunizieren (zur Inspiration siehe: Systemtheorie nach Luhmann). Und: Die Individualisierung der eigenen Inhalte und Plattformen wird durch neue Tools (wie Yahoo! Pipes) für programmiertechnische Laien erleichtert und quasi für jeden User ermöglicht.

Die Entwicklung dessen, was heute gerne als "Web 2.0" bezeichnet wird, wird - denke ich - kontinuierlich erfolgen, weshalb ich es für voreilig halte, als nächstes gleich die Versionsnummer 3.0 zu erwarten. Das, sagen wir, "Web 2.1" könnte sich aber vor allem auf einer Meta-Ebene entwickeln: Auf die Vernetzung von Kontakten, Ideen und Meinungen folgt die Vernetzung der individuellen Netzwerke. Bruchstücke, Microsites (vielleicht künftig "Microservices"?) können teilweise jetzt schon per Mausklick auf MySpace & Co. platziert werden. Inhalte und Services können nach Beliebigen und Bedarf kombiniert und in einer ganz neuen Form arrangiert sich selbst und allen Nutzern zur Verfügung gestellt werden.

Dass die alles vereinnahmende Werbung diese neue Beliebigkeit und Freiheit gefährdet, liegt in der Natur der Sache. Vergessen wir aber nicht, dass wir - die Nutzer - ein essentieller Teil dessen sind, was in unterschiedlichsten Facetten als kommerzielle Innovation verkauft wird: dem Web 2.x. User-Proteste bei Facebook und StudiVZ verdeutlichen den Einfluss der Web-User - und die gegenseitige Abhängigkeit von User und Services. Das Eine besteht nicht ohne das Andere. Und so wird auch die künftige Entwicklung des Web, seiner Services und Nutzungsarten davon abhängen, was die Nutzer daraus machen.

Um also die komplexe Entwicklung eines mittlerweile sozialen Raumes (oder Systems) wie dem Web vorhersagen zu können, müssten wir die Entwicklung unseres eigenen Umgangs damit vorhersagen. Ich denke, dieser Umstand relativiert alle auf rein technische oder wirtschaftliche Aspekte reduzierte Prognosen. Nur ein Fokus auf die Vernetzung sämtlicher Faktoren - allen voran auf uns User - wird die eine oder andere vorsichtige Spekulation gestatten.

Keine Kommentare: