Mittwoch, 9. Januar 2008

Zeig mir deine Freunde...

... und ich sag dir wer du bist. Ein Spruch aus der Antike erhält in der digitalen Allgegenwart eine neue Bedeutung.

Wenn virtuelle und reale Wirklichkeiten zunehmend eins werden und die Grenzen an Durchlässigkeit gewinnen, stellt sich die Frage, in wie weit völlig gewöhnliche gesellschaftliche Phänomene, die wir tagtäglich beobachten können und auch selbst reproduzieren, in diesen vermeintlich neuen - scheinbar unwirklichen - Welten Fuß fassen.

Wenn die Technik immer mehr in den Hintergrund tritt und der Umgang mit ihr - auch aufgrund einer angepassten Medienkompetenz der Menschen - zur Selbstverständlichkeit wird, bleibt mehr Spielraum für Menschliches, ohne über den nächsten Tastendruck oder notwendige Befehlseingaben nachdenken zu müssen.

Es ist, denke ich, eine Eigenheit des modernen Menschen, sich jener Materialien zur Bildung und Aufrechterhaltung seiner eigenen Identität zu bedienen, wovon es in seiner Umgebung genügend gibt und die allen anderen gleichermaßen zugänglich sind: andere Menschen.

Symbole der Zugehörigkeit und Abgrenzung sind die Bausteine komplexer Gesellschaften. Symbole sind Handlungen, sind Kommunikation. Diese Kommunikation gewinnt umso mehr an Bedeutung, je alltäglicher vermittelte Wahrnehmungen werden, wie wir sie erleben, wenn wir durch User-Profile blättern, Videos sehen oder in irrealen Landschaften neue Gesellschaftsformen kennen lernen.

Diese Menschlichkeit des (sozialen) Webs - wobei der Begriff des World Wide Web in seiner ursprünglichen Bedeutung vielleicht nicht mehr anwendbar ist auf ein sich öffnendes Netz aus vielschichten Verflechtungen unterschiedlichster Services - drückt sich auch dadurch aus, dass man sich seiner selbst nicht mehr nur durch die bloße Visualisierung von Kontakt-Netzwerken vergewissert. Man zeigt - nicht zuletzt sich selbst - die Freunde, die man hat: auf (idealerweise "ge-tagten") Fotos. So wird sichtbar, wer hinter den sonst uniformen Kontakt-Links steckt. Und mit einem Klick auf die abgebildeten Personen gelangt man an deren Hintergrundinformationen - und an ein weiteres (bildhaftes) Netzwerk.

So werden Freunde auch im Web 2.0 zu einem effektiven Medium der eigenen Identität - viel intuitiver als nur in textueller Link-Form. Und sie helfen wieder bei der gegenseitigen Identifizierung - fast so wie im "richtigen" Leben. Nur eines bleibt: Für die hübschen Fotos mit den Vertretern seiner Peergroup muss man weiterhin ins "echtere" Leben.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bei StudiVZ scheint es mir oft so, als ginge es nur ums Trophäensammeln von Freunden...

Gregor T. hat gesagt…

Ja, so wie auf MySpace. Ein interessantes Phänomen. Man sollte mal der Frage nachgehen, wie sich (virtuelle) Peer Groups online auf diese Weise entwickeln und was die "neuen" Meinungsführer in solchen Netzwerken ausmacht (die Zahl der Kontakte?). Find´ ich interessant...