Freitag, 18. Januar 2008

Gatekeeper vs. Meinungsmacher

Informationskontrolle liegt in der Natur des Menschen mit seiner selektiven Wahrnehmung - und erst recht in der Natur der Medien, die stets mit stark begrenzten Ressourcen auskommen müssen.

Sprach man einst von Medienorganisationen und Journalisten als Gatekeeper, die Berichtenswertes nach ihren Kriterien auswählten und damit beeinflussten, wovon ihre Medienkonsumenten erfuhren, hat man dieses drastische Bild vom Schleusenwärter weichgezeichnet: Agenda Setting ist´s, was Medien (-macher) betreiben und damit "nur" mehr quasi die Gesprächsthemen ihrer Rezipienten beeinflussen - also auf die öffentliche Meinung wirken.

In einer medial vermittelten, durch und durch mediatisierten Welt (-gesellschaft), in der sich dank einfach zu bedienender Technologien mit enormer Verbreitung (und ebenso steigender Reichweite) die Publikationsmacht nicht mehr auf wenige, ressourcenstarke Organisationen konzentriert, sondern sich - Stichwort Web 2.0 - unter den einstigen (eher passiven) Konsumenten aufteilt, ist es fraglich, wie lange es noch an den Großen liegt, Informationen zu selektieren und Meinungen zu machen. Sofern die altbewährten Konzepte nicht schon längst überholt sind.

Die Entwicklung dieses dynamischen Feldes ist unmöglich zu prognostizieren. Tatsächlich aber werden Weblog-Betreiber von vielen Seiten als meinungsbildende Instanzen erkannt. Vor allem dort, wo ein Phänomen wirtschaftlichen Nutzen haben kann, bleibt es nicht unentdeckt.

Trigami zum Beispiel tritt gezielt im Auftrag seiner Werbekunden an (registrierte) Blogger heran, um unter Vortäuschen seriöser Rezensionen meinungsbeeinflussende Kommunikationsprozesse zu initiieren. Und weil Textblogs wichtige Konsumentengruppen nicht ausreichend erschließen, fokussiert das Unternehmen auch auf (im Auftrag) user-gestaltete Videos auf YouTube & Co.

Besonders fleißige und angesehene Weblog-Autoren entwickeln sich in der Blogsphäre zu den so genannten A-Bloggern. Auch wenn es sich um eine kontroverselle Behauptung handelt, dass es Blogger der "ersten Liga" gibt, und weniger wichtige, deutet die gesteigerte Zurkenntnisnahme einiger weniger - ob gerechtfertigt oder nicht - darauf hin, dass hier beträchtliches Potenzial zum Meinungsmachen besteht. Der Diskussion zum Trotz, wie überbewertete Blogger mittels Linklisten und "Spamblogging" zu ungerechtfertigem Ruhm gelangen, sind es möglicherweise gerade diese, die im Meinungsbildungsprozess eine wesentliche Rolle spielen (werden).

Eine Schwäche der Anarchie? Entwickelt sich hier eine neue Art der Informationsflut, die uns User (die wir stets auch Rezipienten und Konsumenten sind) wieder in die Fänge der Massenmedien treibt, um uns - endlich wieder - auf die kompetente Selektion der Gatekeeper zu verlassen? Oder wird sich abseits automatisierter Bewertungsalgorithmen innerhalb der Web-Community eine verlässliche Selbstregulation etablieren, die uns bei der Beurteilung der Relevanz von Weblogs und ihrer Betreiber hilft?

Vielleicht aber wird es tatsächlich so kommen, dass sich aus der einstigen Versinnbildlichung demokratischer Informationsverbreitung - den Weblogs - hochprofessionalisierte Nachrichtendienstleister entwickeln (siehe auch: FAZ: Die Front gibt es nicht; oder hier: Push it real good). Und am Ende die Meinungsmacher zusätzlich die Funktion der Gatekeeper übernehmen und die Informationskanäle für uns durchforsten, sortieren und verständlich kommentiert zur Verfügung stellen.

Informationskontrollle und selektive Wahrnehmung - eine wechselseitige Beziehung in einer Medienwelt begrenzter Ressourcen.

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